Nach längerer Zeit dösiger Schreibfaulheit möchte ich doch nun mit einiger Verspätung von meinem Erlebnissen in Amsterdam berichten.
Da meine Liebste und ich im Sommer, bedingt durch Hausarbeiten und Vordiplom, nicht in den Urlaub fahren konnten, wollten wir wenigstens den Jahreswechsel woanders verbringen. Wir haben uns für eine
Busreise nach Amsterdam entschieden und starteten am 30.12. gegen 21:00 vom Berliner ZOB
Da sowohl in Magdeburg als auch in
"Bielefeld" noch Passagiere zustiegen dauerte die Fahrt zehn Stunden. An Schlaf war in den "bequemen Liegesessel" nicht zu denken, jedenfalls nicht, wenn man zu groß für die Kopflehne ist.
Um sieben Uhr waren wir endlich in Amsterdam angekommen und die Reiseleiterin versuchte uns noch einige kostenpflichtige Zusatzangebote, wie Stadtrundfahrt mit anschließendem Frühstück oder den Besuch einer Käsefabrik, aufzuquatschen. Meine Freundin und ich buchten den "Szenerundgang" und die Grachtenfahrt und verließen, wie die meisten Mitreisenden, den Bus.
Im Nieselregen standen wir nun in Amsterdam, auf der Suche nach dem
Anne Frank Haus, ausgerüstet mit einem postkartengroßen Stadtplan. Nachdem wir uns erstmal was Essbares gekauft und verzehrt hatten, fanden wir irgendwann das besagte Museum, an dem wir aufgrund seiner unscheinbaren Fassade ein paar Mal vorbeigelaufen sind.
Im Anschluß schlenderten wir noch ein weinig durch die reizenden Gassen und an den schicken Grachten entlang und trafen gegen 14 Uhr am Bahnhof wieder auf den Bus, der uns zum Hotel fuhr.
Entgegen der Beschreibung des Veranstalters befand sich das Hotel nicht im Zentrum Amsterdams, sondern zeimlich weit ausserhalb, neben dem
Schiphol Airport. Auf der Fahrt zum Hotel erzählten uns einige Reisende, dass die Stadtrundfahrt und das Frühstück ein Witz waren.
Erst ein wenig ungehalten darüber, dass man uns die Übernachtung in der Innenstadt vorenthielt, stellte ich nun mit einiger Erleichterung fest, dass man uns in einem
nh-Hotel unterbrachte. Eh wir auf unser Zimmer konnten, dauerte es aber noch fast ne Stunde. So langsam, wie die Magnetstreifenkarten für die Zimmer rausgerückt wurden, konnte es sich nur um ein Versehen der Veranstalter handeln. Die geplante Jugendherberge, oder wo wir sonst hätten schlafen sollen, schien aus welchen Gründen auch immer kurzfristig ausgefallen zu sein, und dieses Hotel war möglicherweise das einzige, in dem noch Zimmer in einer Größenordnung von mehreren Bussen zur Verfügung standen. Ein Blick auf eine an der Zimmertür angebrachte Tafel bestätigte meine Theorie: Das Zimmer hätte pro Nacht regulär 295 € gekostet!
So sah die Bude auch aus. Meine Augen funkelten, als ich sah wie groß das Bett war! Der Fernseher spielte klassische Musik und hieß uns mit einer videotextähnlichen "persönlichen" Nachricht willkommen und gab Erläuterungen zu den Notausgängen und Spielfilmkanälen. Die Fenster waren ca. 15 cm dick, so dass vom Flughafen nicht das leiseste Geräusch zu hören war. Im Bad befanden sich eine separate Dusche und Wanne und nicht, wie in anderen Absteigen, eine Wannen-Dusch-Kombination, oder nur eine Dusche. Ich ließ Wasser in die Wanne und begutachtete die zahlreichen Fläschchen mit Badezusätzen, von denen ich eine ins Wasser goß. Die übrigen wanderten, zusammen mit den anderen hübsch verpackten Körperpflegeutensilien, dem auf dem Nachttisch liegenden Büchlein "Bedside Stories" und dem obligatorischen "Bitte Nicht Stören"-Schild gleich in meine Reisetasche. Meine Freundin protestierte zwar, aber ich bestand darauf, dass wir dafür bezahlt hätten. Lediglich auf die Gideon-Bibel und die bereitstehenden Tee- und Kaffeesorten konnte ich verzichten.
Wir entspannten uns in der Wanne von der anstrengenden Reise und ließen uns danach in die Kissen des riesigen Bettes fallen.
Ich testete gerade den elektronischen Safe - die Liebste konnte mich davor abhalten, unser Geld dort zu verwahren, aus Angst, ich könnte den selbstgewählten Code vergessen - und schloß eine Packung Taschentücher ein, als wir auf die Uhr guckten und uns fragten, wann der Bus wohl wieder in die City fahren würde. In der Lobby trafen wir zufällig die Busfahrer, die meinten wir müssten mit einem Shuttle zum Flughafen und von dort mit dem Zug zum Hauptbahnhof. Grmpf, sagten wir uns, aber da wir Silvester nicht in der Hotelbar mit Anzug tragenden Jobvernichtern von McKinsey verbringen wollten, mussten wir diese weitere "Unannehmlichkeit" auf uns nehmen.
Im Zentrum angekommen, gings dann gleich mit dem "Szenerundgang" los. Coffeeshops, Rotlichtviertel, diverse Plätze, Anekdoten, etc... war ganz interessant. Zum Beispiel haben wir erfahren, dass neben dem einen Puff ein Kindergarten steht - für die Kinder der Prostituierten. Vorbildliches Sozialsystem, wie ich finde! Oder dass es in ganz Amsterdam seit Anno Blumenkohl keine Friedhöfe mehr gibt, weil die Särge duch den morastigen Boden wieder nach oben gedrückt wurden. Tja, soll vorkommen.
Anschließend sind wir durch die Gassen getingelt und haben geschaut, wo wir uns 0:00 aufhalten werden. Zwischendurch ne sauteure, dafür aber sehr winzige Falafel (4€!! 'n Döner hätte sogar 6€ gekostet!) geknuspert.
Da Amsterdam offensichtlich ein ziemliches Problem mit an Häuserwände urinierenden Passante hatte, stehen an jedem Platz
Plastikpissors, an denen bis zu vier Herren gleichzeitig ... tja, strullen können. Etwas ungewohnt, wenn man sozusagen auf offener Strasse austritt und Fussgänger wenige Meter an einem vorbei gehen, aber wenn die Blase drückt, ist es einen auch egal.
So kurz vor Null haben wir uns dann zum
Dam begeben, wo die zentrale Silvesterfeier stattfand, und ins Neue Jahr gezählt. Alle Menschen, die eben noch in den aberwitzig vielen Kneipen und Gaststätten hockten stürmten auf die Strassen und Gassen und man konnte nicht mehr laufen vor Menschenmassen. Als sich die Lage etwas entspannte, sind wir Richtung Nieuw-Markt, wo wir in verschiedenen Kneipen, u.a. Café Cuba, einkehrten.
Um 3:00 hat uns unser Bus wieder zum Hotel gefahren. Schlafen konnten wir nicht sonderlich lange, da wir schon um 11:00 auschecken mussten und vorher noch das Frühstück abgreifen wollten, welches übrigens vom Feinsten war!
Der Bus fuhr uns wieder in die Stadt, wo mein Schatz und ich noch ein paar Souveniers kauften, spassenshalber Postkarten abschickten, essen gingen, rumlatschten und um dreiviertelfünf zur Grachtenfahrt aufbrachen. Leider wurde es zu der Zeit schon recht dunkel und durch die beschlagenen Scheiben hatten man eine etwas eingeschränkte Sicht. Dennoch sehr interessant!
Obwohl wir schon "alles" gesehen hatten und wegen des Schlafmangels nicht mehr sehr frisch waren, mussten wir uns gezwungenermaßen noch sieben Stunden in der Stadt rumtreiben. Gegen 21 Uhr bin ich mit der Liebsten in den
Blues Brothers Coffeeshop, um die restlichen Stunden bei einer gepflegten Tüte totzuschlagen.
Da meine Freundin nicht unbedingt was rauchen wollte, und ich keine besondere Lust hatte, den Rest nach Hause zu schmuggeln, war ich etwas betrübt, als ich auf dem Smokers Menu sah, dass ca. 1gr die geringste Menge war, die dort verkauft wurde. Schien mir für eine Tüte doch etwas zu heftig. Also bestellten wir erstmal zwei Milchshakes (alkoholische Getränke scheints in Coffeeshops nicht zu geben). Als ich mal eben das Klo besuchte, sah ich hinter dem Bartresen etwas, was wie ein ChupaChups-Lutscher-Ständer aussah. Statt Lolis steckten dort aber Joint in Frischhalte-Plaste-Röhrchen! Ich frohlockte und bestellte eine fertige Tüte für 3,50€ die ich sogleich freudestrahlend, glücklich darüber, doch noch zu meinem verdienten High zu kommen, meiner Liebsten präsentierte. Sie hat dann doch noch Appetit bekommen und so saßen wir stundenlang im Schaufenster des Blues Brothers, redeten dummes Zeug, lachten, entspannten, ließen uns von Passanten fotografieren und lasen die Bücher, die ich in meinem Rucksack hatte. Meine Freundin las
"Der Schwarm" und ich
"Angst und Schrecken in Las Vegas". Die Kapitel, die ich in dieser Zeit gelesen habe, waren mit Abstand die besten und buntesten des ganzen Buches; so ein Zufall 8)... Ich erinnere mich, wie ich einen relativ unspektakulären Satz ("[...] Ich sah, dass er Orientierungschwierigkeiten hatte, war aber nicht bereit ihm zu helfen [...]") zum brüllen fand und meiner Liebsten mehrmals vorlas.
Irgendwann, als wir wieder etwas runterkamen, sind wir, O-Saft trinkend, zum Treffpunkt gelatscht, haben uns mit den anderen Mitfahrenden ausgetauscht und gegen 1:00 gings dann auch wieder ab nach Hause. Im Bus fragte uns einer, ob wir die beiden waren, die da im Coffeeshop lesend saßen. Ja, meinte ich, woraufhin er voller Erstaunen fragte:"Wolltet Ihr euch umbringen??" Ich verstand nicht... Wollte er uns einen Vortrag über das Mördergift Marihuana halten oder was sollte die irrwitzige Frage? Da sah ich, dass seine Augen selbst noch ziemlich glasig waren. Er konnte scheinbar nicht verstehen, wie man in nem Coffeeshop genüßlich lesen kann. Ich empfahl ihm selbst mal unter entsprechendem Einfluß ein interessantes Buch zu lesen, schließlich empfand ich es als äußerst unterhaltend.
Um 9:30 waren wir wieder in Berlin.
Abschließend kann ich jeden nur empfehlen, Silvester mal in Amsterdam zu feiern! Die Stimmung ist unglaublich und nicht zu vergleichen mit den Silvesterfeiern in Berlin etc.
Ob ich nochmal mit Rainbowtours fahren werde, ist aber äußerst ungewiß. Wir hatten bei den Preisen nicht viel erwartet, aber ein Hotel in der Innenstadt wär schon nicht schlecht gewesen. Abgesehen davon wars einfach herrlich!
Ach übrigens: Rainbowtours hatte auch eine Silvesterfeier in Amsterdam veranstaltet, die wir
glücklicherweise nicht besucht haben. Diejenigen, die die 35€ für die Party bezahlt hatten, waren sehr enttäuscht: eine häßliche Kneipe, ein lausiger DJ und Sekt in Pappbechern.
ups! n bissjen lang geworden...
erdbaer - 11. Jan, 23:30